Wie hat sich das Digital Onboarding in den letzten fünf Jahren aus deiner Sicht verändert?
In den letzten fünf Jahren hat das digitale Onboarding tiefgreifende Veränderungen erfahren. Neobanken und Kryptofinanzdienstleister haben diesen Wandel angeführt, weil sie früh erkannt haben: Einfaches, transparentes und kostengünstiges Onboarding ist derSchlüssel zum Erfolg. Mit effizienten Prozessen und Skalierbarkeit halten sie dabei ihre Betriebskosten niedrig und bieten ihre Dienstleistungen so zu konkurrenzfähigen Preisen an.
Diesen Druck spüren auch traditionelle Banken. Deshalb haben viele in den letzten drei Jahren ihre Onboarding-Prozesse sowohl in ihren Filialen als auch im Selbstbedienungsbereich modernisiert oder neu eingeführt. Dieser Wandel geschieht jedoch nicht nur auf der technologischen, sondern auch auf der kulturellen Ebene: Kundinnen und Kunden stehen jetzt im Mittelpunkt. Entsprechend müssen die Prozesse einfach und benutzerfreundlich sein.
Fortschritte in der Computer-Vision-Technologie haben diese Entwicklung zusätzlich unterstützt. In nicht-regulierten Geschäftsfeldern existieren inzwischen vollständig automatisierte, selbst geführte Identifikationsprozesse (AutoIdent), die den Onboarding-Prozess weiter beschleunigen und vereinfachen. Auch in regulierten Geschäftsfeldern beobachten wir eine Bewegung weg von der Video-Identifikation hin zur AutoIdentifikation, welche, falls regulatorisch nötig, anschliessend im Hintergrund von Personen überprüft wird. Diese Technologien machen digitalisierte Onboarding-Prozesse noch effizienter und sicherer.
Was sind die nächsten grossen Durchbrüche, die wir im Bereich des Digital Onboardings erwarten können?
Die nächsten grossen Durchbrüche im Bereich Digital Onboarding erwarte ich insbesondere in den Bereichen Smart Onboarding, Convenience, Individualisierung und durch die Nutzung bestehender Identitäten.
1. Smart Onboarding
In Zukunft wird Onboarding intelligent. Die direkte Integration verschiedener Datenquellen, wie zum Beispiel Bonitätschecks, Handelsregisterauszüge, Adresschecks und KYC-Checks, verspricht Onboarding-Prozesse weiter zu verändern und vor allem smarter zu machen. Künftig lassen sich während des Onboardings anhand dieser Daten Entscheidungen in Echtzeit treffen, sodass Kundinnen und Kunden Produkte sofort beziehen und auf Wunsch auch gleich finanzieren lassen können. Auf diese Weise erhalten interessierte Personen unmittelbar verbindliche Angebote, welche sie dann sogleich abschliessen können.
Diese Art von Smart Onboarding bietet auch für Unternehmen diverse Vorteile. Einerseits erschliessen sich dadurch neue Einnahmequellen, andererseits können Risiken frühzeitig erkannt und direkt in der Anbahnung entsprechend behandelt werden. Das spart nicht nur Kosten, sondern optimiert auch die nachfolgenden Prozesse. Die Entwicklung des eigenen Kundenportfolios lässt sich so aktiv steuern.
2. Convenience
Zusätzlich erhöht Smart Onboarding den Komfort für Endnutzerinnen und Endnutzer. Diese können direkt am Point of Sale Zusatzservices wie Versicherungen oder Finanzierungen beziehen. Dank der Kombination externer Datenquellen und der Zustimmung der Personen zur Nutzung ihrer Bank- oder Versicherungsdaten lassen sich redundante Formulareingaben und Dokumentuploads vermieden. Das verbessert nicht nur die User Experience, sondern auch die Genauigkeit der erfassten Daten.
3. Individualisierung und alternative Identifikationsmethoden
Auch künftig gewinnt Digital Onboarding weiter an Flexibilität. Dies ermöglicht zusätzliche Individualisierungsmöglichkeiten im Prozess, welcher sich so noch besser an die spezifischen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anpassen lässt. Ein Beispiel: Hat eine Person Schwierigkeiten mit einer bestimmten Identifikationsmethode, wird sofort eine Alternative angeboten. Dies wird die Konversionsrate des digitalen Onboardings weiter heben und seine Akzeptanz zusätzlich verbessern.
4. Nutzen bestehender Identitäten
Identität wird digital. Die Integration bestehender digitaler Identitäten, wie sie heute bei Vertrauensdienstanbietern gespeichert sind oder in Zukunft durch die staatliche E-ID bereitgestellt werden, wird auch für das digitale Onboarding ein grosser Fortschritt sein. Onboarding-Prozesse werden so noch einfacher, sicherer und die Identitätsprüfung wird weiter beschleunigt. Diese Entwicklung ist eine Win-win-Situation für Kundinnen und Kundens owie Unternehmen.
Zusammengefasst wird Digital Onboarding zunehmend smarter, sicherer und benutzerfreundlicher. Unternehmen, die diese Entwicklungen aktiv vorantreiben und integrieren, werden ihre Wertschöpfungskette erhöhen, die Konversionsrate steigern und ihre internen Prozesse besser skalieren können.
Wie kann Künstliche Intelligenz dazu beitragen, den Prozess des Digital Onboarding effizienter und sicherer zu gestalten?
Künstliche Intelligenz (KI) übertrifft den Menschen in bestimmten Bereichen bereits deutlich. Beispielsweise ist die Maschine beim biometrischen Gesichtsabgleich massiv besser als der Mensch. Dies wird wohl künftig auch bei der physischen Identifikation vermehrt eine Rolle spielen und die Sicherheit in diesem Bereich erhöhen.
Doch KI ist ein zweischneidiges Schwert: Sie ist sowohl Segen als auch Fluch, denn Hackergruppen nutzen ebenfalls KI, um immer raffiniertere und skalierbare Angriffsszenarien durchzuführen. Der einzige Weg, hier zugewinnen, ist, selbst KI zur Erhöhung der Sicherheit einzusetzen. Schliesslich macht KI kontinuierlich Fortschritte, zum Beispiel in der Bilderkennung, etwa bei holografisch kinematischen Elementen, oder auch bei der Erkennung von Deepfakes.
KI hilft zudem, aussergewöhnliche Zugriffsmuster (Anomalien) und Betrugsmuster zu erkennen. In solchen Fällen müssen ad-hoc weitere Sicherheitsschritte aktiviert werden. Auf diese Weise wird KI nicht nur den Onboarding-Prozess effizienter gestalten, sondern auch dessen Sicherheit erheblich steigern.
Wann kommt die E-ID und wie wird sie sich auf heutige Digital-Onboarding-Lösungen auswirken?
Bei dieser Frage würde ich gerne den Publikumsjoker ziehen. Letztlich wird das Publikum – also wir alle – zeigen, wie schnell wir unsere eigene E-ID beziehen und nutzen werden. Offiziell soll die E-ID frühestens Anfang 2026 kommen. Persönlich gehe ich davon aus, dass dieser Fahrplan nicht ganz eingehalten werden kann und es eher Ende 2026 oder sogar 2027 wird.
Die Einführung ist jedoch nur die halbe Miete. Entscheidend für ihren Erfolg wird vor allem die Geschwindigkeit sein, mit der sich die E-ID in der Bevölkerung verbreitet. Der Bund muss Anreize schaffen, damit die E-ID schnell akzeptiert und genutzt wird. Wenn dies gelingt, wird die E-ID dasDigital Onboarding erheblich erleichtern, da dann ein weit verbreiteter, standardisierter und vertrauenswürdiger Identitätsnachweis zur Verfügung steht. Für den Onboarding-Prozess benötigte Daten können ebenfalls über die E-ID bezogen und Prozesse dadurch weiter vereinfacht werden.
Auch wenn Stand heute noch nicht absehbar ist, bis wann die kritische Masse an E-IDs ausgestellt sein wird, empfehle ich Unternehmen dennoch, sich bereits jetzt damit zu befassen und auf zukunftsweisende Digital-Onboarding-Lösungen zu setzen. Denn um in Zukunft konkurrenzfähig zubleiben, muss in den Produktstrategien und Digital-Onboarding-Lösungen von heute die E-ID von morgen bereits jetzt einen festen Platz haben.